Projektdarstellung

„Wissen ist Macht“:
Grenzen der Politikberatung und des Lobbyismus im politischen Entscheidungsprozess – politische Expertenkultur im deutsch-polnischen Vergleich.

 

Das Projekt stellt die Fortsetzung des Projekts: „‘Wissen ist Macht‘: Grenzen der Politikberatung und des Lobbyismus im politischen Entscheidungsprozess“ dar, bei dem die Wahrnehmung der politischen Beratungsprozesse durch Politiker in Deutschland und in Polen analysiert wurden.

Als Grundlage der vergleichenden Betrachtung steht bei diesem Projekt die Annahme, dass jedes Land ein eigenes spezifisches Instrumentengefüge der Politikberatung herausbildet, das den politischen, institutionellen und rechtlichen aber auch historischen und kulturellen Gegebenheiten entspricht. Als Ausgangspunkt der vergleichenden Untersuchung dient das Konzept der „politischen Expertenkultur“ (PEK), verstanden als ein System von Normen, Verfahren und Instrumenten, mit denen die Beziehungen zwischen Experten und politischen Entscheidungsträgern geregelt werden, das die analytische Berücksichtigung unterschiedlicher Aspekte der politischen Beratungsvorgänge ermöglicht. Bei diesem Konzept wird die Existenz verschiedener Modelle der „PKE“ angenommen, deren Form durch unterschiedliche Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern bestimmt werden. Auf der Grundlage der bisherigen Befunde, die zum einen anhand der Literaturauswertung und zum anderen anhand qualitativer Interviews mit den Parlamentsabgeordneten konnten im Zuge des vorangegangenen Projekts vier unterschiedliche Typen der „PEK“ ausdifferenziertet werden. Als Hauptkriterien der Differenzierung gelten dabei zum einen der Umfang die Reichweite der formell-rechtlichen Regelungen und zum anderen die Umstände, welche die Relation zwischen den Politikern und den Experten bestimmen, darunter die Distanz sowie die Praxis der gegenseitigen Beziehungen. Während die Analyse der rechtlichen und der institutionellen Rahmenbedingungen anhand einschlägiger Literatur- und Primarquellen durchgeführt werden konnte, ist für die Analyse der Verhältnisse, der Normen, der Erwartungen, der Bewertungen sowie der Faktoren, welche die Funktionsweise der politischen Beratung real beeinflussen, die Durchführung von Interviews mit den an den Beratungsprozessen teilnehmenden Experten erforderlich. Der Vergleich der dabei erhobenen Daten mit den Ergebnissen der Auswertung der bereits mit den Parlamentsabgeordneten durchgeführten Interviews erlaubt die subjektiven Überzeugungen beider Seiten hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Politikern und den Experten zu erfahren. Diese spielen eine Schlüsselrolle bei der Definition der sog. „weichen Rahmenbedingungen” des Beratungsprozesses und stellen somit die Grundlage für die Validierung bzw. Weiterentwicklung des Konzeptes der „PEK“ dar.

Um die im ersten Projekt ausgearbeiteten Konzeptansätze zu verifizieren sowie eine typologische Einordnung der jeweiligen „PEK“ in Deutschland und in Polen vorzunehmen, soll die im initialen Projekt ermittelte Wahrnehmung der Politiker deshalb durch die Perspektive der an den Politikberatungsprozessen beteiligten Experten ergänzt werden. Dabei soll insbesondere das Selbstverständnis der Berater bezüglich ihrer Rolle bei den politischen Beratungsprozessen sowie ihre Sicht auf die Maßstäbe für die Legitimität und Legalität unterschiedlicher Beratungsvorgänge im politischen Entscheidungsprozess erforscht werden. Darüber hinaus stehen bei diesem Projekt sowohl der Zugang der Berater und der Lobbyisten zu den politischen Akteuren, die Funktionsweise der Strukturen sowie der gesetzlichen Regelungen im Bereich der politischen Beratung, der Gegenstand der Beratung, die Aufgaben und Arbeitsweisen sowie die Rekrutierungsmodalitäten der Berater als auch die Kommunikationsweisen zwischen den Beratern und den Politikern im Mittelpunkt des Forschungsinteresses.

Um die aufgegriffenen Forschungsschwerpunkte zu analysieren wurden folgende erkenntnis, leitenden Fragestellungen formuliert:

  • Wie definieren die an den Beratungsprozessen in Deutschland und in Polen beteiligten Akteure die Grenzen zwischen der wissenschaftsbasierten Politikberatung und dem Lobbyismus?
  • Welche Unterschiede können in den Typen der politischen Expertenkulturen in Polen und in Deutschland festgestellt werden?
  • Wie gestaltet sich die Legitimitätspraxis hinsichtlich der Politikberatung und des Lobbyismus im politischen Entscheidungsprozess in Abhängigkeit von der jeweiligen politischen Expertenkultur?

Neben den zentralen Forschungsthemen werden darüber hinaus auch weitere Aspekte aus dem Bereich der Politikberatung und Lobbyismus aufgegriffen, um das bisher insbesondere wegen Mangel an empirischen Daten unterforschte Forschungsfeld in der deutsch-polnischen Vergleichsperspektive möglichst umfassend zu beleuchten. Dabei wird insbesondere die zunehmende Rolle der Medien bei den Beratungsprozessen, die Unterschiede in der Struktur und Beratungsressourcen der Abgeordnetenbüros, die Wahrnehmung des sog. „Drehtür-Effekts“ in beiden Ländern sowie die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung an politischen Konsultationsprozessen analysiert. Darüber hinaus soll ergänzend auch die Wahrnehmung der ab 01.10.2022 in Deutschland in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Einführung eines verpflichteten Lobbyregisters durch eine entsprechende Erhebung unter den deutschen MdB’s eruiert werden.

Die als Pilotprojekt konzipierte Studie hat zum Ziel die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Strukturen und der Funktionsweise der Politikberatung und des Lobbyismus in den Ländern West- sowie Mittel- und Osteuropas vor dem Hintergrund ihrer historischen und kulturellen Rahmenbedingungen zu untersuchen. Dabei sollen die relevanten Problemlagen im Bereich der Politikberatung und des Lobbyismus herausgearbeitet werden. Deutschland und Polen werden als Fallbeispiele für das Verhältnis der „alten“ und der „neuen“ EU-Mitglieder aufgefasst, sodass anhand der im Rahmen der durchgeführten Analyse festgestellten Befunde eine geeignete Forschungsgrundlage für eine auf weitere Länder bezogene vergleichende Forschung darstellen werden, um die identifizierte Forschungslücke angesichts der steigenden Relevanz der Politikberatung sowohl in der politischen Praxis als auch in der wissenschaftlichen Debatte zu schließen.